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Gastbeitrag in der FAZ: Konsequent gegen Korruption

23.12.2022

Das Europaparlament wird durch einen Korruptionsskandal erschüttert. Wir kennen bis heute die Dimension nicht. Aber wir wollen und müssen sie kennen und sind der belgischen Justiz dankbar, dass sie so konsequent ermittelt. Das Narrativ einer Kultur der Selbstbereicherung scheint dadurch bekräftigt. In Zeiten, in denen die Demokratie sowieso schon in Gefahr ist, ist das brandgefährlich. Fehlendes Vertrauen in die Politik nagt an den Grundpfeilern einer demokratischen Gesellschaft.

Korruption zerfrisst demokratische Gesellschaften - weltweit, aber auch in Europa. Ungarn ist dafür das Negativbeispiel. Aber wo wichtige Entscheidungen getroffen werden, ist Korruption stets eine Gefahr. Deshalb braucht es eine konsequente Antikorruptionskultur - mit klaren Regeln, aber auch geeigneten Institutionen, Korruption vorzubeugen und zu bestrafen. 

Das Europaparlament steht nicht exklusiv für solche Korruptionsskandale. Auch der Bundestag und die Parlamentarische Versammlung des Europarats waren in den letzten Jahren betroffen. Der Europarat stand dabei im Verruf, korrupte Netzwerke gewähren zu lassen. Die „Aserbaidschan Connection“, beeinflusste über Jahre hinweg Abstimmungen und Wahlbeobachtungen zu Gunsten Aserbaidschans und erhielt dafür Millionensummen. Der Skandal reichte dabei bis in den Bundestag. Was jetzt scheinbar Katar für das Europaparlament ist, war Aserbaidschan für den Europarat. 

Seitdem gelten dort neue Transparenzregeln, die unter anderem die Abgeordneten dazu verpflichten, ihre Einkünfte aus parlamentarischen und privaten Quellen zu Beginn jedes Jahres zu deklarieren. Das Problem dabei: Es gibt kein Kontrollgremium, das die abgegebenen Erklärungen überprüft. So haben über 100 Abgeordnete 2022 gar keine, leere oder grob unvollständige Erklärungen abgegeben. Eine Farce. Wir arbeiten daher gerade gezielt daran, dass dieses System Zähne bekommt.

Das Europaparlament arbeitet vergleichsweise transparent. Eine Reform des Transparenzregisters führte dazu, dass Lobbyisten nur nach Eintragung Zugang zum Parlament bekommen. EU-Abgeordnete, die Berichterstattungen für Gesetzesvorhaben übernehmen, sind zudem verpflichtet ihre Lobbytreffen zu veröffentlichen. Doch der aktuelle Skandal zeigt uns auf drastische Weise, dass diese Vorschriften nicht ausreichen. Um die Vorgänge genau nachzuvollziehen und darauf reagieren zu können, brauchen wir im Europaparlament einen Untersuchungsausschuss. Einige Lehren können wir jedoch bereits ziehen:

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats sowie das Europaparlament verfügen weder über eine hinreichende Gesetzgebungskompetenz für Strafrecht noch über eigne Mittel der Strafverfolgung. Sie sind dabei auf die Mitgliedstaaten angewiesen. In Deutschland ist die aktuelle Gesetzeslage jedoch in mehrerer Hinsicht lückenhaft. § 108 e StGB, der die Bestechlichkeit von Abgeordneten unter Strafe stellt, erwies sich in aktuellen Fälle der „Masken-Deals“ wie der „Aserbaidschan-Connection“ als zu eng gefasst und somit als oft nicht anwendbar.

So erhielt die mittlerweile verstorbene CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz über die Firma des ehemaligen CSU-Politikers und Aserbaidschan-Lobbyisten Eduard Lintner Geld aus Aserbaidschan. Gleichzeitig nahm Strenz in Aserbaidschan an offiziellen Wahlbeobachtungen des Europarats teil und bescheinigte dem autokratisch regierten Land einen korrekten Wahlvorgang. Die Generalstaatsanwaltschaft Rostock sah damals trotzdem von der Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen Strenz ab, da Strenz‘ Aussagen während der Wahlbeobachtung nicht unter das Tatbestandsmerkmal der „Wahrnehmung des Mandats“ subsumiert werden könnten. Zudem bedarf es für § 108e StGB eines qualifizierten Kausalzusammenhangs, der im Fall Strenz nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht erfüllt war. Deshalb muss der Bundestag - wie in der „Ampel“ vereinbart -, den Paragraphen dringend überarbeiten. Ziel muss es vor allem sein auch die missbräuchliche Ausnutzung der eigenen Stellung als Mandatsträger und die Gewährung nachträglicher Vorteile unter Strafe zu stellen sowie das Erfordernis „im Auftrag oder auf Weisung“ zu handeln ersatzlos zu streichen. 

Der Skandal rund um die Sozialdemokratin Kaili im Europaparlament zeigt, dass dort dringend auch so genannte Drittstaaten ins Transparenzregister aufgenommen werden müssen. Es bedarf einer unabhängigen Aufsichtsbehörde, ausgestattet mit den nötigen Mitteln, um die Einhaltung der selbstgesetzten Regeln wirksam kontrollieren zu können. Ziel strenger Regeln und dessen gründlicher Überwachung ist der Wandel hin zu einer Anti-Korruptionskultur. Die Europäische Staatsanwaltschaft könnte mit Zuständigkeiten in diesem Bereich ausgestattet werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Korruption Demokratie zerstört und demokratische Legitimation in Frage stellt. Die Skandale sind da. Das können wir nicht mehr ändern. Aber wir müssen uns daran messen lassen, wie konsequent wir eine Antikorruptionskultur schaffen.